Disclaimer: die hier beschriebenen Erfahrungen sind meine persönliche Meinung. Ich habe das Produkt privat gekauft und selbst bezahlt.
Bisher habe ich „traditionelle“ Lötstationen verwendet, die aus einer Basis für die Stromversorgung und Temperaturregelung und einen Handgriff mit Heizung und wechselbaren Lötspitzen bestehen, wie Hakko FX-888D.
Das Entscheidende daran ist die Art, wie die Lötspitzen beheizt werden: das Heizelement ist Teil des Handgriffs und die Lötspitzen bestehen nur aus Metall werden durch das Heizelement erwärmt. Das führt dazu, es relativ lange dauert, bis die Lötspitze nach dem Einschalten die für bleifreies Lötzinn nötige Temperatur von 350 °C erreicht. Bei der Hakko FX-888D etwa 30-40 Sekunden. Da die Temperaturmessung ebenfalls nicht direkt in der Lötspitze selbst erfolgt, kann die Regelung auch nur verzögert auf Änderungen reagieren.
Bedingt durch die lange Aufheizzeit, fehlt bei Geräten dieser Art auch ein „Sleep-Modus“ mit automatischer Abschaltung oder Reduzierung der Heizleistung, wenn der Lötkolben zwischendurch für einige Minuten nicht benutzt wird. Das kann dazu führen, dass Rückstände auf der Lötspitze stark oxidieren und die Lötspitze dann aufwendig gereinigt werden muss, damit sie Lötzinn wieder annimmt.
Lötspitzen mit direkter Heizung
Als Alternative wurde schon vor vielen Jahren eine andere Variante entwickelt: Lötspitzen mit integriertem Heizelement und Temperatursensor. Der Griff dient dann nur noch dazu, die Lötspitze aufzunehmen und die elektrische Verbindung herzustellen. Das führt dazu, dass die Arbeitstemperatur bereits 10-15 Sekunden nach dem Einschalten erreicht wird und sehr schnell geregelt werden kann, wenn die Lötspitze bei einem Lötvorgang durch Wärmeverlust abkühlt. Damit kann man auch eine automatische Reduzierung der Heizleistung in Pausen einfach umsetzen – wir der Handgriff in eine dafür vorgesehene Ablage gestellt, erkennt die Lötstation das und senkt die Temperatur soweit ab, dass die Lötspitze zwar in wenigen Sekunden auf Arbeitstemperatur gebracht werden kann, aber Rückstände auf der Oberfläche trotzdem nicht oxidieren.
Lötstationen, die nach diesem Prinzip arbeiten sind z.B. Hakko FX-951 oder JBC CD-2BQF. Allerdings sind diese Geräte für den professionellen Einsatz konzipiert und daher relativ teuer mit Preisen ab etwa 300 EUR. Hinzu kommt, dass Hakko das gleiche umständliche Bedienkonzept der FX-888D mit simpler 7-Segment-Anzeige und wenigen Tasten beibehalten hat und man zusätzlich eine spezielle „Schlüsselkarte“ einstecken muss, damit überhaupt Änderungen an den Einstellungen möglich sind. Das Modell von JBC ist einfacher in der Handhabung, aber deutlich teuerer und für den Hobbybastler in vielen Fällen überdimensioniert.
Pinecil V2
Der Pinecil V2 von PINE64 ist ein Kompakt-Lötkolben, bei dem die komplette Elektronik im Handgriff intergriert ist. Der Name „Pinecil“ ist die Kombination aus „Pencil“ (Stift) und „PINE64“. Es gibt dazu auch eine umfangreiche Wiki-Seite dazu.
Die Konstruktion ist angelehnt an den Aufbau des Miniware TS100 und sieht diesem Gerät auf den ersten Blick auch sehr ähnlich. Lötspitzen für den TS100 können auch mit dem Pinecil V2 genutzt werden. Allerdings gibt es auch grundlegende Unterschiede, wenn man sich die technischen Daten ansieht:
- Firmware: „IronOS“, bei Github verfügbar
- Microcontroller: Risc-V BL706, 192 kB Flash, 132 kB RAM
- Display: OLED 96×16 Pixel
- Stromversorgung über USB-C PD 3.0 mit 12-20 Volt (oder 28 Volt mit EPR PD 3.1) und 3 A oder DC5525-Stecker mit 12-24 Volt und 3 A.
- Heizleistung abhängig von den verwendeten Lötspitzen und Stromversorgung von 50 bis 126 Watt, Temperaturbereich 100-400 °C (die Firmware erlaubt bis zu 450 °C, allerdings sind die Lötspitzen nur bis 400 °C spezifiert)
- Es gibt es für den Pinecil V2 kürzere Lötspitzen mit einem geringeren Widerstand von 6,2 statt 8 Ω, was die Leistung auf 88 Watt bei 24 Volt steigert bzw. 64 Watt bei 20 Volt über USB-C PD.
- Bewegungssensor für automatischen Sleep-Modus nach einer einstellbaren Wartenzeit, wenn der Lötkolben abgelegt und nicht benutzt wird.
- Hall-Sensor für Magnete, der den Aufbau von Halterungen ermöglicht, bei denen der Lötkolben sofort in den Sleep-Modus wechselt, sobald er in der Halterung ist.
Mein Exemplar habe ich mir zusammen mit einem passenden Netzteil, einem USB-C-Anschlusskabel mit Silikonhülle, Ablage und einem Satz zusätzlicher Lötspitzen („grob“ und in der kurzen Ausführung mit 6,2 Ω – ST-I, ST-C4, ST-D24, ST-K) gekauft. Im Lieferumfang vorhanden ist bereits eine Lötspitze, allerdings nur in konischer Form „B2“. Ich bevorzuge aber die Meißelform „D24“ oder die Variante „C4“, die in der Praxis deutlich besser funktionieren wegen der besseren Wärmeübertragung.
Praktische Erfahrungen
Die Einstellmöglichkeiten sind sehr umfangreich:
- Display auf Wunsch mit Detailangaben zu Temperatur, Spannung und Leistungsaufnahme.
- Einstellbare Zeit und Temperatur für Sleep-Modus und Empfindlichekeit für die Erkennung von Bewegungen.
- Einstellbare Zeit für das automatische Abschalten.
- Optionale Begrenzung der maximalen Spannung und Leistungsaufnahme für den Betrieb mit Akkus oder USB-C QuickCharge.
- Einstellbare, regelmäßige kurze Leistungsaufnahme (z.B. 0,5 Watt alle 4 Sekunden) für den Betrieb an einer USB-Powerbank, damit diese nicht wegen zu geringem Strombedarf abschaltet.
- Debug-Modus für die Anzeige der Firmware-Version, Hardware-Eigenschaften und Geräte-Identifikation zur Überprüfung der Echtheit auf https://pinecil.pine64.org.
Die Handhabung ist durch das geringe Gewicht von nur 28 Gramm (inklusive Lötspitze) und den gummierten Griffbereich sehr bequem. Der Abstand von der Mitte des Griffbereichs bis zum Ende der Lötspitze beträgt nur 7,5 cm, was Lötarbeiten an kleinteiligen Konstruktionen oder SMD-Bauteilen deutlich erleichtert. Für die Verkabelung kann ich das USB-C-Kabel mit Silikonhülle ebenfalls sehr empfehlen – es ist sehr flexibel und hitzebeständig, so dass ein versehentlicher Kontakt mit der heißen Lötspitze keine Schäden verursacht.
Wie erwartet, wird die Lötspitze sehr schnell aufgeheizt. Schon nach knapp über 10 Sekunden werden fast 350° C erreicht, nach etwa 15 Sekunden ist der Punkt erreicht, wo die Heizung bei geringer Leistung nur noch nachregelt, wie man im folgenden Video sehen kann:
Wenn die Lötspitze im Sleep-Modus auf 150 °C abgekühlt ist, ist sie innerhalb weniger Sekunden wieder auf 350 °C aufgeheizt und einsatzbereit.
Die Temperatur kann einfach über die beiden Tasten verändert werden. Man kann auch auch die Schrittweite in den Einstellungen von 1 °C auf einen größeren Wert ändern (in meinem Fall habe ich dies auf 10 °C geändert, da ich die Temperatur nie nur um 1 °C anpassen muss). Wenn man die „+“-Taste gedrückt hält, wird der „Boost“-Modus aktiviert, der die Lötspitze auf 420 °C aufheizt (die Temperatur kann auch in den Einstellungen geändert werden).
Generell Ich hatte nie das Gefühl, dass der Lötkolben nicht ausreichend ist. Für mich ist der Pinecil V2 eine echte Alternative zu klassischen Lötstationen. In Verbindung mit einer geeigneten Powerbank oder einem Akkupack ist auch der mobile Einsatz kein Problem. Schade ist nur, dass man aktuell (Stand Februar 2023) die kurzen Lötspitzen von Pinecil nicht einzeln bekommt, sondern nur Paketen mit vier Stück. TS100-Lötspitzen gibt es zwar auch einzeln, diese sind aber länger und haben eine etwas geringere Heizleistung.
Welches 4er Set sollte man denn als Anfänger nehmen wenn man plant Durchsteckplatinen zu bestücken oder auch mal ein IC zu löten?
Ich empfehle das „fine“-Set mit den kurzen Spitzen.
Ein Erfahrungsbericht in einem Jahr wäre toll, wenn bis dahin ein paar Betriebsstunden zusammen gekommen sind. Wusste gar nicht, dass Pine64 sich dieser sehr speziellen Marktnische angenommen hat (hab die SmartWatch von denen). Schon sexy, so winzig. Und dann kann man auch noch an der Software rumfummeln.
Ja, ich werde gelegentlich berichten, wie sich das Gerät so macht. Meine ersten Erfahrungen damit sind durchweg positiv. Heute hatte ich eine größere Reparatur-Aktion zum Austausch eines Chips in einem älteren Computer – selbst die Pins an den Masse-Flächen waren kein Problem.